In dieser Reihe schreibt Carsten K. Rath über Hotels, die man entweder nicht mehr verlassen oder in die man zumindest möglichst bald wiederkommen möchte. Dieses Mal: Renovierung eines Altbaus als historische Chance
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Das Hotel „Schloss Lieser“ liegt unterhalb der Weinberge, in Sichtweite schlängelt sich die Mosel durch das Tal. Als Moselaner bin ich verliebt in die Region mit ihren Steillagen und dem Schieferboden, der auch den Weinen von Markus Molitor eine unvergleichliche Mineralik verleiht. Molitor ist der auserwählte Winzer beim „101 Hoteliers’ Wine Choice – Selection Day“. Genau elf der 101 besten Hoteliers aus Deutschland, Österreich und der Schweiz verkosten mit ihm fünf exquisite Weine direkt aus dem Fass, um dann ihren Lieblingswein für ihre Gäste zu küren“.
Das Ambiente für diese Kürung könnte kaum stilvoller sein. „Schloss Lieser“ wirkt wie ein Märchenschloss aus einem Guss, doch dahinter verbergen sich zwei Baustile. Der Architekt Heinrich Theodor Schmidt hatte sich im Frankfurter Raum als Villenspezialist einen Namen gemacht. Er baute das Schloss zwischen 1884 und 1887 für den Hunsrücker Unternehmer Eduard Puricelli im Neorenaissance-Stil. Schmidt orientierte sich an den klassizistischen italienischen Palladian-Villen. Der rote und gelbe Sandstein der Fassade und die Schiefersteine für Außenwände und Dach wurden auch beim Anbau verwendet, der um die Jahrhundertwende entstand. Der namentlich nicht bekannte Architekt orientierte sich am damals gerade modernen Jugendstil.
Mir gefällt das harmonische Nebeneinander der beiden Baustile, das sich überall im Haus widerspiegelt. Das wunderschöne Treppenhaus glänzt nahezu im Originalzustand. 2007 kaufte der holländische Unternehmensberater Piet Killaars das Schloss und baute es aufwendig zum Luxushotel mit 34 Zimmern und 15 Suiten um. Hoteldirektor Pascal Renk erzählt mir, wie behutsam und mit wie viel Liebe zum Detail Killaars alte Öfen, offene Kamine, Treppen und Türen integrierte. Er bewahrte so den historischen Charme des Schlosses.
Auch mein Zimmer atmet noch den Geist vergangener Tage. Es ist holzvertäfelt, mit Seide an den Wänden, elegant und luxuriös eingerichtet. Und der Spa ist eine absolute Wucht. Marmor soweit das Auge reicht. Man merkt, wie viel Herzblut Puricelli und sein Architekt damals in den Bau des Hallenbads steckten, das heute den opulenten Mittelpunkt des Wellnessbereichs bildet.
Wie wertvoll es ist, den Charakter eines historischen Bauwerks mit maßvoller Renovierung zu erhalten, zeigt auch das Weingut von Markus Molitor, der bereits in der in der achten Generation keltert. Ich küre dort mit den eingeladenen Hoteliers den „2023 Wehlener Klosterberg Pinot Blanc“ zum ersten offiziellen „101 Hoteliers’ Wine Choice“. Ein edler Tropfen, wie so viele Molitor-Weine aus den vielen Grand-Cru-Lagen.
2007 entschloss sich Markus Molitor, nach vielen Vorgesprächen mit dem Kölner Architekten Lukas Baumewerd, umfassend zu sanieren. Ihm war es wichtig, Historie und Tradition für seine Gäste sichtbar und erlebbar zu machen. Der Kölner Architekt baute zunächst eine zentrale Treppe in den höheren Mittelbau als verbindendes Element aller Ebenen. Überall setzte er herrschaftliche doppelflügelige Türen ein, vereinheitlichte die unterschiedlichen Geschosshöhen, wog sorgfältig ab: Was wird aufgearbeitet, was restauriert, was neu gebaut? Das schmiedeeiserne Geländer auf der vorderen Treppenanlage wurde instandgesetzt, das Geländer der Innentreppe dagegen nach ihrem Vorbild erneuert. Uraltes Schiefermauerwerk wurde an vielen Stellen erstmals wieder sichtbar.
Das Weingut und „Schloss Lieser“ sind hervorragende Beispiele für den Umgang mit historischer Bausubstanz – und sie setzen Zeichen für eine nachhaltige Unternehmenskultur. Beim Dinner am Abend im Salon des Hotels wird mir das bewusst. Statt neuer Einrichtung stehen hier noch die antiken Möbel. Auch Wandverkleidungen und Bodenbeläge stammen aus der Zeit der alten Bauherren. 2023 hat sich das Haus von „Green Sign“ für seine nachhaltige Betriebsführung zertifizieren lassen. „Schloss Lieser“ meint es ernst mit einer umweltverträglichen Unternehmenskultur.
Über den Autor: Als früherer Grandhotelier und Betreiber des relevantesten Hotel Rankings im deutschsprachigen Raum "Die 101 Besten" ist Carsten K. Rath Globetrotter von Berufswegen. Sämtliche Hotels, über die er für CHOSEN by Architects schreibt, bereist er auf eigene Rechnung. Rath ist zudem Autor der Bücher Die 101 besten Hotels Schweiz 2025 und Die 101 besten Hotels Deutschland 2025. Eine Bestellung des Buches „Die 101 besten Hotels Deutschland“ ist auch per E-Mail an board@i-sle.ch möglich.
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