Unser Kolumnist Carsten K. Rath ist rund 350 Tage im Jahr unterwegs und erlebt dabei unzählige Hotels. Oft wird er gefragt: „Welches ist das beste Hotel der Welt?“ Aktuell ist es weder einer der Superpaläste in Dubai noch eines in einer anderen Weltmetropole, sondern...
... das „The Alpina Gstaad“ in der Schweiz. Das Haus hat ihn mit seiner besonderen Haltung überzeugt. Aus welchen Gründen noch, lesen Sie in seinem Text:
(Für den Inhalt dieses Artikels ist allein der Autor verantwortlich; er spiegelt nicht zwingend die Haltung der Redaktion wider.)
Im „The Alpina Gstaad“ geht es entspannt zu, der erstklassige Service ist souverän und alles bis ins Detail durchdacht. In Gstaad leben Menschen mit großem Namen und Einfluss. Robbie Williams geht im Supermarkt einkaufen, ein indischer Airline-Eigentümer wohnt nebenan. Doch Status bleibt hier eher im Hintergrund. Wer hier wohnt, hat längst nichts mehr zu beweisen. Das „Alpina Gstaad“ fügt sich nahtlos in dieses Umfeld ein. Alles scheint mühelos, selbstverständlich und natürlich – von der Architektur bis zum Service, von der Nachhaltigkeit bis zur Atmosphäre. Dafür sorgt General Managerin Nadine Friedli, die das Haus mit innovativen Ideen und einem feinen Gespür für zeitgemäßen Luxus prägt. Sie treibt das Konzept des Hauses voran: lässige Exzellenz mit Haltung.
Gehobene Schweizer Hotels sind meist entweder sehr rustikal oder klar modern gestaltet. Nur wenige schaffen den Spagat zwischen zeitgemäßer Architektur und regionaler Verankerung. Das „Alpina Gstaad“ ist die seltene Ausnahme: Es verbindet Tradition und Gegenwart mühelos und authentisch. Von außen wirkt es wie ein klassischer Chalet-Bau. Doch schon bei der Ankunft wechselt die Stimmung ins Zeitgenössische: Die geschwungene, unterirdische Zufahrt mit Wasserfall und Oberlicht überrascht mich mit moderner Klarheit. Das lokale Architekturbüro „Jaggi & Partner“ hat hier ein Konzept gewählt, das die alpine Chalet-Bautradition des Saanenlands aufnimmt und in eine zeitgemäße Formsprache übersetzt. Ich bin umgeben von Natursteinmauern, holzverkleideten Wänden und tief heruntergezogenen Schieferdächern – vertraute Elemente, aber mit so viel Präzision und Zurückhaltung umgesetzt, dass sie wie neu wirken.
Das Gebäude wurde aus massiven Blöcken Ringgenberger Kalksteins aus regionalen Steinbrüchen errichtet. Besonders beeindruckt mich das Holz: Verbaut sind größtenteils Tannenholzbretter, die einst Teil jahrhundertealter Schweizer Bauernhäuser waren und mit großer Sorgfalt aufgearbeitet wurden. Heute prägt dieses Holz das gesamte Erscheinungsbild, außen wie innen, und verleiht dem Haus diese ganz besondere Atmosphäre. Die Innenarchitektur, gestaltet von „Hirsch Bedner Associates (HBA)“, verbindet natürliche Materialien wie geöltes Holz, Leder und Quarz mit karminroten Akzenten und liebevoll gesetzten Details – etwa handbemalten Türen oder handgewebten Stoffen. Ich spüre überall die Verbindung zur Region, ohne dass der Eindruck entsteht, mich in einer inszenierten Kulisse zu bewegen.
Das „Alpina Gstaad“ ist ein hervorragendes Beispiel für die gelungene Neuinterpretation alpiner Bautradition – mit Feingefühl, handwerklicher Qualität und einem sicheren Gespür für Zeitlosigkeit.
Viele Hotels schmücken sich heute mit dem Begriff der Nachhaltigkeit, setzen bei genauerem Hinsehen jedoch kaum konkrete Maßnahmen um. Ganz anders erlebe ich es im „Alpina Gstaad“, das sich zum Ziel gesetzt hat, bis 2030 eine klimapositive Bilanz zu erreichen. Das würde bedeuten, dass das Hotel mehr Treibhausgase kompensiert als es verursacht. Um dieses ambitionierte Vorhaben zu erreichen, setzt das Haus auf mehrere wegweisende Strategien und verfolgt seit 2016 einen ganzheitlichen Ansatz mit Fokus auf Energieeffizienz, Wassermanagement und Abfallvermeidung. So gibt es etwa ein Zero-Waste-Kochkonzept, bei dem aus Altbrot hausgemachte Pasta entsteht, Restgemüse zu Pestos verarbeitet wird und Küchenabfälle für die Biogasproduktion genutzt werden. Auch in der Küchenpraxis wird nachhaltig gearbeitet: Die meisten Lieferanten stammen aus einem Umkreis von 40 Kilometern, Verpackungen werden durch Rückgabeboxen anstelle von Wegwerfplastik vermieden. Küchenchef Martin Göschel verfolgt diesen Ansatz in allen vier Restaurants des Hauses. Empfehlen kann ich vor allem das nach ihm benannte „Martin Göschel“, das mit einem Michelin-Stern und 18 Gault-&-Millau-Hauben ausgezeichnet wurde. Der zweite Stern ist hoffentlich auf dem Weg! Hier wird eine kreative Gourmetküche serviert, bei der Fisch, Fleisch und Milchprodukte ausschließlich aus der unmittelbaren Region bezogen werden. Diese Qualität schmecke ich eindeutig heraus. Eine vegetarische Menü-Option ist ebenfalls vorhanden.
Im „Six Senses“ Spa erlebe ich die Nachhaltigkeitskultur ganz konkret: Das Hotel legt großen Wert auf die Vermeidung von Einwegplastik. Deshalb erhalte ich wiederverwendbare Slipper, die ich am Ende meines Aufenthalts zurückgeben muss. Wie für die Marke „Six Senses“ üblich, ist der ganzheitliche Naturbezug deutlich spürbar – er soll alle Sinne ansprechen. Ich kann ein Yoga-Detox-Programm wählen, eine Biohacking-Beratung buchen, die authentische „Tibetan KuNye Massage“ erleben oder im eindrucksvollen Indoor-Pool entspannen. Er ist wie eine natürliche, alpine Grotte gestaltet. Auch die Outdoor-Aktivitäten des Hauses sind modern und nachhaltig gestaltet. So kann ich etwa das Saanenland mit einer E-Vespa erkunden, mobil und umweltschonend. Mir gefällt, dass Nachhaltigkeit hier als kontinuierlicher Prozess verstanden wird. Seit 2017 unterzieht sich das Hotel jährlich den Audits von „EarthCheck“, dem weltweit führenden Anbieter für anspruchsvolle Nachhaltigkeitsbenchmarks. 2022 erhielt das „Alpina Gstaad“ erstmals die Gold-Zertifizierung, die 2024 zum dritten Mal in Folge bestätigt wurde. Ich wünsche mir, dass sich an dieser gelebten Nachhaltigkeitskultur noch viele andere Hotels ein Beispiel nehmen werden.
Der Service in diesem Haus ist bemerkenswert. Die Mitarbeiter sind zu jeder Zeit zugewandt, höflich und herzlich. Bei der Abreise steht das Auto gereinigt bereit, innen wie außen. Auf dem Sitz liegen eine handgeschriebene Karte sowie ein geschnitztes Holzstäbchen mit dem charakteristischen „Alpina“-Duft. Ich freue mich sehr über diese kleinen Gesten, doch auch ohne sie würde mir das „Alpina Gstaad“ in Erinnerung bleiben. Ich kenne kein anderes Hotel, das Design, Komfort, Nachhaltigkeit und Service auf einem derart hohen Niveau vereint und sich dabei stetig weiterentwickelt. Es ist meine Lieblingsadresse in Gstaad – und darüber hinaus.
Über den Autor: Als früherer Grandhotelier und Betreiber des relevantesten Hotel Rankings im deutschsprachigen Raum "Die 101 Besten" ist Carsten K. Rath Globetrotter von Berufswegen. Sämtliche Hotels, über die er für CHOSEN by Architects schreibt, bereist er auf eigene Rechnung. Rath ist zudem Autor der Bücher Die 101 besten Hotels Schweiz 2025 und Die 101 besten Hotels Deutschland 2025. Eine Bestellung des Buches „Die 101 besten Hotels Deutschland“ ist auch per E-Mail an board@i-sle.ch möglich.
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